Mi. Mai 15th, 2024

Berlin/Cape Canaveral/Moskau — Für Jubiläumsfeiern hat der Flugplan den zehn Astronauten in der Internationalen Raumstation am Donnerstag nicht viel Raum gelassen. Das Franklin-Wort „time is money“ war den neun US-Raumfahrern und ihrem russischen Kollegen Verpflichtung. Dennoch fanden sich die 18. ISS-Stammbesatzung und ihre Gäste von der Raumfähre „Endeavour“ zusammen, um an die Geburtsstunde der Station am 20. November 1998 zu erinnern. Damals war das russische Modul „Sarja“ als erster Baustein ins All geschossen worden. Nach einem kurzen Moment der Besinnung ging man aber zum normalen Tagesgeschäft über.

Das bestand vor allem darin, weitere Ausrüstungen aus dem Shuttle-Transportcontrainer in der ISS zu verstauen. Bereits am Mittwoch waren zwei neue Schlafkojen installiert worden. Zudem wurde mit der Montage der neuen Wasseraufbereitungsanlage begonnen.

„Pechvogel“ Heide Stafanyshyn-Piper, der bei ihrem ersten „Weltraumspaziergang“ in der Nacht zu Montag der Werkzeugkasten davongeflogen war, verlässt indes am Abend erneut die Station. Gemeinsam mit ihrem Landsmann Shane Kimbrough setzt sie die Reparaturarbeiten am defekte Drehgestell eines Sonnensegels fort.

Der Chef der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, Anatoli Perminow, hat die ISS als „bedeutendstes und wirklich einzigartiges Projekt in der Geschichte der Weltraumfahrt“ gewürdigt. Es zeige, „dass es im Kosmos keine Grenzen gibt“, betonte er am Donnerstag in Moskau zum ISS-Jubiläum. Die Station sei das beste Beispiel für die friedliche internationale Zusammenarbeit. Russland sei stolz, „so viel“ zur Verwirklichung dieses Projekts beigetragen zu haben, das so lange wie möglich genutzt werden sollte.

In diesen Worten schwingt ein gewisses Unbehagen über nicht gereifte Blütenträume und die unsichere Zukunft der ISS mit. Immerhin waren die Russen mit dem Vorsatz angetreten, ihr Segment mit zehn großen Modulen auszustatten. Angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den 1990er Jahren reichten die Mittel aber nur für drei. Mit dieser begrenzten Infrastruktur konnten natürlich viele Programmpunkte nicht erfüllt werden.

Doch um selbst diese begrenzten Möglichkeiten voll zu nutzen, wäre die ständige Anwesenheit von drei Kosmonauten erforderlich. Bislang aber bestehen die Stammbesatzungen, die sich überwiegend aus Amerikanern und Russen zusammensetzen, insgesamt nur aus drei Mitgliedern.

Dies soll sich nun ab Mitte 2009 mit dem Übergang zu einer ständigen Sechser-Crew ändern. Doch inzwischen werden in Moskau schon Zweifel laut, ob dieses Ziel  zu erreichen sei. Denn mit der Einstellung der Shuttle-Flüge 2010 ruht der gesamte ISS-Personenverkehr auf den Schultern der Russen. Das heißt, dass die „Sojus“-Starts von derzeit zwei pro Jahr mindestens verdoppelt werden müssen. Nach Ansicht von Experten muss dann auch mindestens einmal im Monat ein automatischer „Progress“-Frachter mit Nachschub zur Station geschickt werden – heute geschieht das etwa alle drei Monate.

Bis 2011 haben die Amerikaner schon Plätze in den „Sojus“-Kapseln gekauft. Was danach wird, ist noch nicht entschieden. Erschwerend kommt hinzu, dass die NASA voll auf die „Progress“-Schiffe verzichten will. Das bringt die Russen in zusätzliche Schwierigkeiten. Denn sie müssen in Vorkasse gehen, weil die Raumschiffe einen Produktionsvorlauf von etwas zwei Jahren haben.

Der Raumfahrtkonzern „Energija“ in Koroljow bei Moskau hat deshalb dieser Tage schon einen Kredit von umgerechnet gut 80 Millionen Euro aufgenommen. Wenn sich die Amerikaner nicht spätestens Anfang 2009 entschließen, mindestens für die „Sojus“-Kapseln bis 2015 zu zahlen, könnte das ganze Jahrtausendprojekt ins Wanken geraten. Das hätte auch verheerende Folgen für die Europäer und Japaner mit ihren milliardenteuren Wissenschaftsmodulen „Columbus“ und KIBO.

(Veröffentlicht am 20. November 2008)