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Credit: Roskosmos

Moskau, 29. März 2015 — Russland vollzieht offenbar eine Wende in seiner Raumfahrtpolitik gegenüber den USA. So haben die Chefs der Weltraumagenturen Roskosmos und NASA, Igor Komarow und Charles Bolden, am Wochenende auf dem Kosmodrom Baikonur (Kasachstan) eine Vereinbarung über die Verlängerung der Nutzung der Internationalen Raumstation ISS bis zum Jahr 2024 unterzeichnet. Zugleich bekräftigten sie am Freitag am Rande des Starts des Raumschiffes Sojus TMA-16M, mit dem Michail Kornijenko (Russland) und Scott Kelly (USA) zu ihrer Jahresmission in der ISS aufgebrochen sind, ihre Bereitschaft, an einem Programm für eine künftige gemeinsame Raumstation für die Zeit nach dem Ende der ISS zu arbeiten. Diese solle dann auch anderen Partnern offen stehen.

Der russische Vizepremier Dmitri Rogosin hat inzwischen via Twitter angekündigt, die Regierung werde die Ergebnisse der Gespräche zwischen Roskosmos und NASA prüfen. Die Entscheidungen dazu würden später getroffen. Damit schlägt der für das Militär und die Raumfahrt zuständige Politiker ganz neue Töne an. Im vergangenen Jahr hatte er angesichts der US-Sanktionen wegen der Ukraine-Krise noch mit dem Rückzug Russlands aus dem ISS-Programm für 2020 gedroht. Zur Begründung sagte er, die Mitarbeit in der ISS zahle sich für sein Land nicht aus. Deshalb werde man nach 2020 eine eigene hochfliegende Raumstation als Vorposten für Flüge zum Mond und darüber hinaus bauen.

Ende Februar hatte der Wissenschaftlich-Technische Rat (NTS) des neuen Staatskonzerns GK Roskosmos überraschend beschlossen, sich doch über 2020 hinaus an der ISS zu beteiligen. NTS-Chef Juri Koptjew betonte, die Weiterführung der Station sei für Russland „hinreichend vorteilhaft“. Während des gesamten bisherigen Betriebs habe Russland 10 Prozent investiert und 30 Prozent der Ressourcen genutzt. Damit widersprach er deutlich dem Vizepremier. Die Linie Koptjews ist nun in Baikonur besiegelt worden.

Wie die Nachrichtenagentur TASS am Samstag meldete, hat NASA-Sprecher David Weaver indes auf Nachfrage von Journalisten den Plan des Baus einer gemeinsamen neuen Raumstation nicht bestätigt. „Heute konzentriert sich unsere Aufmerksamkeit weiter voll auf die Nutzung des gegenwärtigen wissenschaftlichen Laboratoriums und auf jene Forschungen, die im Laufe der gerade begonnenen Mission von Astronaut Scott Kelly begonnen haben“, zitiert die Agentur den Sprecher. Zugleich habe Weaver aber ausdrücklich die Entscheidung von Roskosmos über die Verlängerung des ISS-Betriebs und das Interesse der russischen Raumfahrtagentur an der „weiteren internationalen Zusammenarbeit bei der Erschließung des Weltraums in der Folgezeit“ begrüßt.

Was sich dahinter verbirgt, hatte NASA-Chef Bolden in Baikonur so erklärt: „Wir arbeiten gemeinsam mit Russland und unseren anderen Partnern an einer globalen Road Map. Die gemeinsame Richtung unserer Anstrengungen ist der Mars.“  Mit Komarow habe er über den Zeitplan, die Finanzen und die Arbeitsteilung bei dem Projekt gesprochen, um Doppelarbeit zu vermeiden.

Über die Gründe für den Kurswechsel schweigt sich das offizielle Moskau bisher aus. Unabhängige Experten verweisen aber auf die angespannte wirtschaftliche und finanzielle Lage der Russen. Erst jüngst hatte Koptjew darauf verwiesen, dass sich die bereits beschlossenen Raumfahrtprojekte wegen der hohen Inflationsrate um durchschnittlich 27 Prozent verteuern. Deshalb werde man das neue Föderale Raumfahrtprogramm (FKP) für die Jahre 2016-25, das in einigen Monaten verabschiedet werden soll, um zehn Prozent kürzen.

(c) Gerhard Kowalski

 

 

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