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Credit: GK Roskosmos
Credit: GK Roskosmos

Moskau,  13. Januar 2017 —  Russland hat zum ersten Mal einen direkten Zusammenhang  zwischen den westlichen Sanktionen und der Zukunft der internationalen Raumfahrt hergestellt. Der für das Militär und die Raumfahrt zuständige Vizepremier Dmitri Rogosin hat den Staatskonzern GK Roskosmos aufgefordert,  der Regierung seine Vorstellungen vom Schicksal der Internationalen Raumstation ISS nach 2024 zu unterbreiten. Dabei müssten die Lage in der Weltpolitik und die Sanktionen des Westens gegen Russland berücksichtigt werden,  sagte Rogosin nach Angaben der Nachrichtenagentur TASS am Donnerstag auf einer Veranstaltung zum 110. Geburtstag von Sergej Koroljow (1907-1966). Die neue Strategie für die Entwicklung der Raumfahrt solle nach dem März der Regierung unterbreitet werden.

Dabei gehe es nicht nur um die Frage,  wie die künftigen Ziele der bemannten Raumfahrt aussehen sollen,  sondern auch um die Wahl der Verbündeten und Partner,  betonte der Politiker. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die „Sanktionen und den zügellosen Wunsch der McCains und anderer nicht normaler Leute“ im US-Senat,  die Lieferungen russischer Raketentriebwerke an die USA zu stoppen.

Rogosin sagte,  sein Land habe bisher außerordentlich klug und feinfühlig auf die Sanktionen des Westens gegen die hochtechnologischen Bereiche der Industrie und somit auch Roskosmos reagiert. So habe man den ISS-Vertrag bis 2024 verlängert,  sichere nach wie vor die Flüge ausländischer Astronauten zur Station ab und verwirkliche gemeinsame Programme mit den USA. Doch der Weltraum dürfe nicht in Stücke zerrissen werden,  so wie es „die Amerikaner mit allen Beziehungen tun,  die sie mit uns unterhalten,  und dabei mit neuen Sanktionen drohen“. Im Kosmos dürften das Leben von Menschen und die höchsten Werte der Menschheit nicht durch „engstirnige eigennützige und konjunkturelle Ambitionen einiger Staaten“ aufs Spiel gesetzt werden

© Gerhard Kowalski

8 Gedanken zu „Rogosin fordert von GK Roskosmos strategische Überlegungen zum ISS-Schicksal im Lichte der Weltpolitik und der westlichen Sanktionen“
  1. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass Rogosin mit seinen Aussagen gar nicht so schlecht liegt. Ich hoffe insgeheim auf Trump (trotz allem).

  2. Ich habe schon lange befürchtet, dass Russland durch die zahlreichen Sanktionen einmal so weit in die Enge getrieben wird, dass man die Amerikaner daran erinnern muss, dass sie ihm immerhin ihre Astronauten anvertrauen.
    Ich hoffe inständig, dass wenigstens die ISS auch weiterhin aus dem politischen Streit auf der Erde herausgehalten wird.

    G. Kowalski

  3. Ich traue diesen „Sanktionen“ sowieso nicht, es geht doch nur darum, den „Klassenfeind“ in die Knie zu zwingen. Es wäre natürlich mehr als unsinnig, diesen Streit soweit eskalieren zu lassen, dass die ISS darunter leidet und dieses wirklich phantastische Projekt wegen so ein paar Dummbüddeln kaputt gemacht werden würde. Der unkontrollierte Absturz würde wahrscheinlich ein bisschen mehr Staub aufwirbeln als damals die MIR.

  4. Die Sanktionen richten sich nicht gegen den „Klassenfeind“, sondern gegen Europa. Ich glaube nicht, dass der Streit weiter eskalieren wird, da die Russen ja in spätestens zwei Jahren nicht mehr als Lohnkutscher für die Amis gebraucht wird. Dann fliegen Musk und Co. wieder allein zur Station, während sich die NASA auf den Mond konzentriert, wofür sie das EMS, aber nicht die Russen braucht.

    Mir scheint, die Russen müssen neu nachdenken, weil die BRICS-Staaten nicht wie erwarte auf ihre Raumstations-Initiative eingegangen sind.

    Die ISS darf nicht unkontrolliert abstürzen. Das wäre ein Desaster. Die Russen bauen schon an einer Progress-Variante für das Deorbiting.

    GK

  5. 1
    Das Problem ist doch eher, daß das russische Geschäftsmodell ISS (oder besser „MKC“) doch wohl auf den Taxifahrerjob hinaus lief. Eine Zeit danach – sprich neues Geschäftsmodell macht nur Sinn m it dem MLM oder einer ähnlichen Infrastruktur.
    Hätte man genug zu tun mit angewandter oder mit Grundlagenforschung gäbe es diese Diskussion gar nicht. MLM(-U) hätte also vor Jahren schon in die Umlaufbahn gehört. Die Planungen und Verschiebungen sind älter als die Sanktionen. Das Problem ist also ein typisch russisches.

    Von Sanktionen ist doch das russische Raumfahrtprogramm eher nicht betroffen; seit mehr als 20 Jahren versucht man sich von ausländischen Komponenten unabhängig zu machen. Das sollte man doch nun langsam geschafft haben. Daß es kaum Anwendungssatelliten und keine Forschungssatelliten gibt wird seit 25 Jahren beklagt und liegt daran, daß damit kein oder nur wenig Geld „verdient“ wird (von den Entscheidern?).

    2
    Wenn ich mich recht erinnere, gab es einmal eine Diversifizierungsphilosophie bei den Mannschaftstransporten: Ein Russe fliegt mit der commercial crew mit, ein Amerikaner fliegt im Gegenzug mit Sojus. Was ist damit?

  6. Zu 1.

    Dass die Russen in punkto Wissenschaft in der ISS schmal auf der Brust sind, wissen wir seit Jahrzehnten.
    Daran ändert sich auch durch Nauka nichts. Was nützen die Kapazitäten, wenn man keine Experimente hat?

    Die Sanktionen teffen die russische Raumfahrt stärker als man zugibt.

    Zu 2.

    Inzwischen ist man ja zumindest vorübergehend auch den Titel als führender „Lohnkutscher“ los. Die Russen sind bereit, auch mit Orion und den privaten Raumschiffen mitzufliegen und selbst Amis mitzunehmen. Aber entschieden ist noch nichts. Das wird mit dem bemannten Jungfernflug einer privaten US-Kapsel spruchreif.

    Übrhaupt ist mir schleierhaft, was die neue Strategiedebatte soll. Ich dachte, die sei schon klar

    G: Kowalski

  7. Das ganze Gejammere der Russen soll verdecken, daß man nichts auf die Reihe bringt.
    Bringt Forschungskapazität auf die ISS und ihr werdet zu Partnern. Statt dessen wird behauptet, man ließe sie nicht und hindere sie durch Sanktionen. Das ist ganz einfach nicht wahr.

    Die einzigen, die – vorbereitet vom Paton-Institut – bisher zweimal im Weltraum geschweißt haben, waren die Sowjets.

    Wie soll man denn in ferner Zeit mit den Russen kooperieren, zum Beispiel auf dem Mond, vielleicht bemannt in einem der Librationspunkte oder gar auf dem Flug zum Mars, wenn diese nichts anzubieten haben? Schade!
    Auch Auftragsforschung für Schwellenländer wäre eine Möglichkeit der Kommerzialisierung auf der einen und zum Lernen auf der anderen Seite.
    Ganz offensichtlich sieht man für sich dort kein Potential. Oder aber es traut einem Niemand mehr über den Weg.

    Was soll die ganze für heutige Zwecke überdimensionierte Raumfahrtinfrastruktur im fernen Osten? Spontan fällt mir da Chordokowski ein: Makroökonomische Korruption ist, wenn eine Brücke längs eines Flusses gebaut wird.

    Denken die Russen eigentlich darüber nach, private Raumfahrt zu fördern?

  8. Man bringt deshalb nichts auf die Reihe, weil man kein Geld für die Forschung ausgibt. Was meinen Sie, wie viele gute Projekte in den Schubladen der russischen Forscher schmoren und auf ihre Umsetzung warten!! Sie können mir glauben, dass darunter Ideen von Weltrang sind. Faul ist das Forscher-Heer nicht. Aber es produziert derzeit auf Halde und wartet auf bessere Zeiten. Das betrifft übrigens auch den Mond.

    Mehr aus der Not geboren als aus Überzeugung befasst man sich inzwischen auch intensiv mit der privaten Raumfahrt. Deren Förderung ist sogar ins FKP 2016-25 eingegangen.

    Bislang steckt die Raumfahrtstruktur im Fernen Osten ja in den Kinderschuhen. Sie wissen ja, dass der Betrieb in Wostotschny so richtig erst 2023 losgeht – wenn alles nach Plan läuft. Insofern ist die Infrastruktur erst in den Kinderschuhen. Sie ist aber erforderlich, um die Gegend in die Zukunft zu überführen und sie zu erschließen.

    G. Kowalski

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