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Kosmische Lastenesel – Seit 30 Jahren versorgen Russlands automatische „Progress“-Frachter Raumstationen – Jetzt kommt Europa bei der ISS zu Hilfe
(Zum 30. Jahrestag des Erstfluges des russischen Lastenraumschiffs „Progress“ am 20. Januar) Berlin – Ob Treibstoff, Lebensmittel, wissenschaftliche Geräte, Hygieneartikel oder einfach nur Post von den Lieben auf der Erde – die russischen „Progress“-Frachter versorgen seit nunmehr 30 Jahren zuverlässig die Besatzungen von Raumstationen mit allem Notwendigen. Vom 20.Januar 1978 bis zur Jahrtausendwende flogen sie mit jeweils 2,5 Tonnen Nachschub nur die eigenen Erdaußenposten „Salut“ und MIR an. Nach dem Ende des MIR-Labors 2001 ist nunmehr die Internationale Raumstation ihr Ziel. Gemeinsam mit den „Sojus“-Schiffen und den US-Shuttles sichern sie so den Pendelverkehr von Menschen und Material zwischen Erde und ISS.

Doch bald erhalten die Russen und Amerikaner dabei willkommene Hilfe. Ende Februar/Anfang März soll das Automated Transfer Vehicle (ATV) „Jules Verne“ zum Jungfernflug starten. Der europäische automatische Frachter, der die Größe eines Londoner Doppeldeckerbusses hat, kann 7,5 Tonnen Treibstoff und Stückgut zur Station bringen. Damit leistet Europa nicht nur einen wichtigen Beitrag zur stabilen Versorgung der ISS-Stammbesatzungen, die ab 2009 von derzeit drei auf sechs Astronauten verdoppelt werden sollen. Es verschafft sich vor allem auch erstmals einen eigenen Zugang zur Station, die bald durch das europäische Forschungslabor „Columbus“ erweitert wird, wenn die Raumfähre „Atlantis“ wie geplant am 7. Februar abheben kann.

Mit 115 erfolgreichen Missionen stehen die russischen Lastenesel bisher zu Buche – und ein Ende ist nicht abzusehen. Das erste „Progress“-Modell war am 20. Januar 1978 zur Raumstation „Salut 6“ gestartet, in der übrigens dann im August/September auch Sigmund Jähn als erster Deutscher eine Woche gearbeitet hat. Nach 42 Flügen zu dieser Station und ihren Nachfolgern „Salut 7“ und MIR hatte die erste Generation 1990 ausgedient.

Sie wurde 1989 und 2000 von der zweiten und dritten Generation abgelöst, die als „Progress M“ und „Progress M1“ firmieren. Sie entsprechen zwar dem neuesten Stand der Technik, können aber auch weiter nur rund 2,5 Tonnen Nachschub auf die Umlaufbahn bringen. Allerdings haben sie größere Tanks mit einem Fassungsvermögen von 1,2 beziehungsweise 1,950 Tonnen Treibstoff gegenüber einer knappen Tonne bei dem Vorgänger. Damit tragen die Russen dem Bedarf der ISS Rechnung. Denn bisher können nur sie die Station nachtanken. Das wird sich nun mit den ATV ändern, die sogar 2,5 Tonnen – russischen – Treibstoffs an Bord nehmen können.

Bei all ihren Vorzügen stoßen die „Progress“-Frachter inzwischen aber auch an ihre Grenzen. Denn sie sind – wie ihr europäischer Helfer – nur Ein-Weg-Raumschiffe. Nachdem sie von der ISS-Crew entladen wurden, werden sie mit den Abfällen vollgestopft und dann gezielt als kosmische Mülltonne über dem Pazifik zum Absturz gebracht. Die US-Shuttles mit ihrer gewaltigen Ladebucht übernehmen indes den Rücktransport von Forschungsergebnissen und ausgedientem Sperrgut zur Erde. Doch wenn die Raumfähren 2010 ihre Flüge einstellen, haben die ISS-Partner ein Problem. Dann stehen nur noch die „Sojus“-Raumschiffe für solche Operationen zur Verfügung. Allerdings können in den kleinen Kapseln neben der dreiköpfigen Besatzung bestenfalls 20 Kilogramm Fracht mitgenommen werden.

Die Russen arbeiten deshalb an einem neuen Frachter mit einer Rückführungsmöglichkeit. Nach den Plänen der Kosmosschmiede „Energija“ soll dazu die „Sojus“-Kapsel entkernt werden und so rund 800 Kilogramm Fracht aufnehmen können. Mit dieser neuen Technologie, die 2010 zur Verfügung stehen soll, will das Unternehmen gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. So sollen dabei auch ein digitales Steuerungssystem und Laser-Gyroskope für die fünfte „Sojus“-Generation getestet werden. Diese soll die Lücke bis zum neuen, sechssitzigen Raumschiff „Clipper“ schließen, über dessen Bau noch in diesem Jahr entschieden wird.

(Veröffentlicht am 17. 1. 2008)

Von admin