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Berlin/Moskau – Nach der erneuten Panne bei der Landung einer „Sojus“-Kapsel in der kasachischen Steppe fürchtet Russland offenbar um den guten Ruf seiner Raumfahrt. Denn innerhalb von nur sechs Monaten kam mit „Sojus TMA-11“ am vergangenen Samstag zum zweiten Mal in Folge ein Raumschiff dieses Typs ungesteuert und damit hart wieder zur Erde zurück. Der russische Kosmonaut Juri Malentschenko, US-Astronautin Peggy Whitson und die Koreanerin Yi So-yeon wurden dabei arg durchgeschüttelt. Für kurze Zeit waren sie einer Belastung bis zum Zehnfachen ihres Körpergewichts ausgesetzt, überstanden das Abenteuer aber ohne gesundheitliche Schäden.Nach dem peinlichen Zwischenfall ist die russische Raumfahrtagentur Roskosmos deshalb sichtlich um Schadensbegrenzung bemüht. Ihr Sprecher Alexander Worobjow wies Spekulationen zurück, das Trio habe bei seiner Rückkehr von der Internationalen Raumstation ISS nur durch ein Wunder überlebt. Richtig sei vielmehr, dass die Raumfahrer dank der Zuverlässigkeit der Technik noch lebten, sagte er. Anderslautende Behauptungen schadeten dem Ruf der Branche und richteten sich gegen die Umsetzung der russisch-amerikanischen Vereinbarung über den Ankauf von „Sojus“- und „Progress“-Raumschiffen durch die US-Luft- und Raumfahrtbehörde NASA.

Worobjow forderte die Medien auf, das Geschehene „nicht zu dramatisieren“. Natürlich berge ein Raumflug Gefahren in sich, und niemand könne eine 100-prozentige Garantie geben, dass er erfolgreich beendet werde, räumte er ein. Aber gerade für solche Fälle sei das „etatmäßige Regime“ der ballistischen Landung vorgesehen, die allerdings „Unbequemlichkeiten“ für die Besatzung mit sich bringe.

Die Nervosität der Russen ist verständlich. Für sie steht in der Tat viel auf dem Spiel. Denn wenn die Amerikaner wie angekündigt 2010 ihre Shuttle-Flotte einmotten, ruht die Last des gesamten Personentransfers zur ISS allein auf ihren „Sojus“-Raumschiffen. Deren Zuverlässigkeit, die sie seit über 40 Jahren unter Beweis stellen, muss über jeden Zweifel erhaben bleiben.

Das sehen auch die Amerikaner aus nachvollziehbaren Gründen so. Zumindest bis 2015, wenn ihr neues Raumschiff „Orion“ einsatzbereit sein soll, sind sie nämlich auf die guten Dienste der Russen angewiesen und würden ihre Astronauten niemals unsicheren Schiffen anvertrauen. Die NASA verfolgt allerdings mit Argusaugen die Aktivitäten Moskaus bei der Fehlersuche. Für ihn sei eine Landung im Reserve-Modus kein „großes Problem“, sagte NASA-Vize Bill Gerstenmaier. Das sei dennoch etwas, „was nicht geschehen sollte“. Er glaube aber, dass die „Sojus“-Kapseln zuverlässig seien. Gerstenmaier betonte, er vertraue „voll“ den Maßnahmen der Russen, die bis zum nächsten „Sojus“-Start im Oktober genügend Zeit hätten, die Ursachen für die harte Landung herauszufinden und abzustellen. Er sehe auch „keine Auswirkungen“ auf das Raumschiff „Sojus TMA-12“, das derzeit an der ISS verankert ist und ihrer Crew im Notfall als „Rettungsboot“ dient.

Der US-Raumfahrtexperte James Oberg vertritt ebenfalls die Ansicht, dass „Sojus“ weiterhin ein „funktionierendes Raumschiff“ ist. Die Zwischenfälle erreichten „kein solches Niveau“, das es erforderlich machte, sie zu stoppen. Allerdings frage er sich, ob nicht die Tatsache, dass die Russen jetzt mehr solcher Raumschiffe bauen, um die ISS-Besatzungen ab 2009 auf sechs Astronauten zu verdoppeln, dazu führe, dass mehr Probleme auftreten.

Inzwischen betreiben die Russen intensive Ursachenforschung. Die Untersuchungskommission hofft vor allem von der „Sojus TMA-11“-Black-Box Aufschluss darüber, was die Landeautomatik erneut gleich auf die Reserve-Variante umschalten ließ. Beim Vorgänger mit der Seriennummer 10 hatte das im Oktober 2007 ein Kabelschaden bewirkt. Diesmal vermutet Kommandant Malentschenko, dass sich die Gerätesektion des Raumschiffes nicht vorschriftsmäßig abgetrennt habe. Er habe ein ungewöhnliches Schlagen, Knarren und Schaukeln verspürt, bevor die Kapsel in die dichten Schichten der Atmosphäre eintauchte, sagte der Vierfach-Kosmonaut. Was aber genau geschehen sei, werde die Zeit zeigen.

(Veröffentlicht am 25. April 2008)

Von admin