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Berlin/Moskau, 31. Juli 2014 – Nach langem Warten sind die russischen Kosmonauten Oleg Nowizki, Jewgeni Tarelkin und Sergej Rewin am Donnerstag von Präsident Wladimir Putin im Kreml  mit der höchsten Auszeichnung des Landes geehrt worden, dem Stern eines „Helden der Russischen Föderation“. Aus bürokratischen Gründen hat sich dieser Akt für die Männer, die bereits 2012 beziehungsweise 2013 nach erfolgreichen Langzeitflügen in der Internationalen Raumstation ISS zur Erde zurückgekehrt sind, verzögert, so dass die Fachpresse schon Alarm schlug.

Zu Sowjetzeiten waren die Kosmonauten die Hätschelkinder der Nation. Sie wurden mit Auszeichnungen, Ehrungen und Privilegien überhäuft. Obwohl der Beruf immer noch ein enormes Risiko birgt, schenkt das neue Russland seinen Raumfahrern indes nur wenig Beachtung und lässt sie monate- oder gar jahrelang auf den verdienten Helden-Stern warten.

Zwei Tage nach dem historischen Raumflug Juri Gagarins vom 12. April 1961 heftete Leonid Breshnew dem ersten Kosmonauten der Welt im Kreml den Stern eines „Helden der Sowjetunion“ samt Lenin-Orden an die Uniformbrust. Der Staatschef habe nach „gutem Cognac“ gerochen, erinnerte sich Gagarin später an diese Minuten.

Auch sonst ließ sich der Staat nicht lumpen: Der Kosmonaut erhielt fortan ein Gehalt, das fast dem Breshnews gleichkam, sowie einen Mittelklassewagen des Typs „Wolga“ und eine voll eingerichtete 4-Zimmer-Wohnung. Selbst an die persönliche Ausstattung des frischgebackenen Nationalhelden und seiner Frau Walentina hatte man gedacht. In ihren Kleiderschränken fanden sie alles vor, was sie künftig für ihr neues Leben als weltweite Botschafter ihres Landes brauchten – vom Taschentuch bis zum Abendanzug und –kleid. Angesichts der damals herrschenden Mangelwirtschaft war das ein reiner Segen.

Bis zum Zerfall der Sowjetunion1991 war es ein festes Ritual, die Kosmonauten mit der höchsten Auszeichnung des Landes zu ehren – nicht zuletzt, weil man sich dabei auch in deren Licht sonnen konnte. Doch nun, unter kapitalistischen Bedingungen, schossen neue „Helden“ wie Pilze aus dem Boden: Spekulanten, Banker, Geschäftsleute jeder Couleur, Oligarchen… Plötzlich waren die Privilegien dieser exklusiven Berufsgruppe mit knapp 120 Mitgliedern nichts mehr wert.

Heute braucht man keinen Helden-Stern mehr, der seinem Träger beispielsweise das in jedem Geschäft plakatierte Recht gab, außer der Reihe bedient zu werden. Im Russland Putins braucht man nur das große Geld, um sich jeden Wunsch erfüllen zu können. Und das verdienen nicht die Kosmonauten. Die bekommen umgerechnet nur zwischen 1.500 und 2.200 Euro im Monat, wie die Frau Oleg Nowizkis, Julia Nowizkaja (Foto), in ihrem jetzt erschienenen „Tagebuch“ beklagte. Damit stünden sie auf einer Stufe mit den Fahrern der Moskauer Metro. Jeder Bankmanager verdiene ein Vielfaches.

Das Sozialprestige der Kosmonauten sei rapide gesunken. Sie könnten heute im Gegensatz zu früher durch die Straßen gehen, ohne erkannt zu werden, schreibt die Kosmonauten-Gattin weiter. Deshalb nehme es auch nicht Wunder, dass sich auf die erste offene Ausschreibung für neue Kosmonauten-Kandidaten im vergangenen Jahr lediglich etwas mehr 300 junge Leute gemeldet haben.

Als Kosmonaut verdient man heute nur gut, wenn man einen der begehrten vier Flüge pro Jahr zur ISS bekommt. Für die Halbjahresmissionen werden persönliche „Kontrakte“ vereinbart. Um welche Summen es da geht, ist Geschäftsgeheimnis. Nach verlässlichen Quellen belaufen sie sich je nach Verhandlungsgeschick und Status auf etwa 120.000 bis 150.000 Dollar.

Und es geht um den Helden-Stern. Denn mit ihm ist ein monatlicher Ehrensold von umgerechnet gut 1.000 Euro verbunden. Hinzu kommen mietfreies Wohnen, die kostenlose Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, ein kostenloser Urlaub pro Jahr, ein 100-Liter-Tankgutschein pro Monat und viele weitere Vergünstigungen. Ersatzweise kann man sich auch 1.500 Dollar auszahlen lassen.

Doch bis der Helden-Auszeichnungsvorschlag heute bei Putin ankommt, hat er einen langen Instanzenweg zu bewältigen. So mancher schmort über ein Jahr lang auf irgendeinem Bürokraten-Schreibtisch oder wird gar erst nach dem zweiten Flug bearbeitet.

Viele Entscheidungen über solche Anträge sind derzeit schon lange überfällig, kritisierte jüngst die Fachzeitschrift „Nowosti Kosmonawtiki“ und verwies auch auf die drei oben genannten Männer.  Da das Kosmonauten-Ausbildungszentrum „Juri Gagarin“ als Antragsteller im Moskauer Gebiet ansässig sei, beginne dieser Weg beim Ministerium für Investitionen und Innovationen der Gebietsregierung und führe dann über den Gouverneur, den Bevollmächtigten Vertreter des Präsidenten der Russischen Föderation für den Zentralen Föderalen Kreis, den Chef der Weltraumagentur Roskosmos bis hin zum Leiter der Verwaltung des russischen Präsidenten.

Angesichts solcher Praxis kann auch schon mal einem Kosmonauten der Kragen platzen. So wandte sich Maxim Surajew, der im März 2010 von der ISS zurückgekehrt war, damals bei einer öffentlichen Veranstaltung im „Sternenstädtchen“ in dieser Frage an den damaligen Premier Wladimir Putin, nachdem sein Antrag zuvor zweimal vom Verteidigungsministerium mit der Begründung abgelehnt worden war, dass dafür „keine ausreichenden Gründe“ vorlägen. Surajew fragte, was man denn noch tun müsse, außer sein Leben zu riskieren, um die Bedingungen für diese Auszeichnung zu erfüllen. Immerhin stehe in der Satzung, der Helden-Titel werde „für Verdienste um Staat und Volk vergeben, die mit der Vollbringung einer Heldentat verbunden“ seien. Der damalige Präsident Dmitri Medwedjew ergriff danach selbst die Initiative – und Surajew bekam seinen Helden-Stern.

Zu Sowjetzeiten hätten solche Äußerungen den Kosmonauten Kopf und Kragen gekostet, heute geht das alles. Am 28. Mai flog Surajew erneut zur ISS – gemeinsam mit dem deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst und dem Amerikaner Reid Wiseman.

© Gerhard Kowalski

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