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Cover 166 TageBerlin,  7. März 2017 —  Alle elf deutschen Raumfahrer,  die seit 1978 ins All geflogen sind,  haben uns zurückgebliebenen Erdlingen über ihre mehr oder weniger langen Missionen mit den Russen oder Amerikanern im wahrsten Sinne des Wortes Bericht erstattet. Das geschah in der Regel mit der Technik ihrer Zeit  –  in Büchern oder Zeitungs-,  Rundfunk- und TV-Interviews. Das Internet spielte bislang dabei so gut wie keine Rolle,  weil es das eben noch nicht gab oder noch nicht so weit entwickelt war.

Ich erinnere mich noch sehr gut daran,  wie ich 1978 nach dem Start unseres ersten Kosmonauten,  Sigmund Jähn,  auf dem Kosmodrom Baikonur im fernen Kasachstan um eine Telefonverbindung nach Ost-Berlin gekämpft habe,  um meine Reportagen abzusetzen. Die Verbindung war meistens schlecht und wurde nicht selten unterbrochen. Um die Telefonistinnen bei Laune zu halten,  hatte ich mich aus jahrelanger Moskau-Erfahrung mit Strumpfhosen aus der DDR ausgestattet,  die in der damaligen UdSSR sehr begehrt waren.

Als Alexander Gerst am 28. Mai 2014 mit seinem russischen Kommandanten Maxim Surajew und dem US-Astronauten Reid Wiseman zu seiner 166-tägigen BLUE DOT-Mission in der Internationalen Raumstation ISS aufbrach,  war das zugleich ein Start in die digitale Medienwelt. Mit großer Perfektion und Souveränität ließ er als Astro_Alex die internationale Raumfahrtgemeinde über alle nur verfügbaren Kanäle in Wort,  Bild und Realzeit an seiner Arbeit gut 400 Kilometer über der Erde teilhaben. Es war,  als habe er ein riesiges Informationstor zum Weltall aufgestoßen.

Auch Kosmosveteran Sigmund Jähn,  der dem Benjamin unter den deutschen Raumfahrern nicht nur wertvolle fachliche Tipps,  sondern auch so manchen nützlichen Ratschlag zur russischen Mentalität mit auf den Weg gegeben hat,  zeigte sich vom Tempo der technischen Entwicklungen fasziniert. In seinem Raumschiff Sojus 31,  mit dem er damals mit dem Russen Waleri Bykowski zur Raumstation Salut 6 geflogen sei,  „gab es noch keine Computer“,  schrieb er. „Wir mussten die Triebwerke,  nach Berechnungen des Bodenzentrums,  selbst schalten.“

Natürlich gibt es auch heute noch viele Raumfahrtenthusiasten,  die nicht im Internet unterwegs sind. Diese wird es deshalb besonders freuen,  dass Gersts Sternenreise jetzt auch in Buchform vorliegt. Das sehr aufwändig gestaltete Werk „Alexander Gerst – 166 Tage im All“ des Verlages Frederking & Thaler ist Bildband mit vielen exklusiven Fotos,  ausführliches Tagebuch und Lexikon in einem und macht die Berichterstattung des elften Deutschen im All erst richtig komplett. Gersts Wunsch,  dass jeder Mensch einmal im Leben die Chance haben sollte,  die Erde von außen zu sehen,  wird leider nie in Erfüllung gehen. Der Traum davon wird aber mit diesem wunderbaren Buch wach gehalten und verstärkt.

© Gerhard Kowalski

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