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Credit: GK Roskosmos

Berlin,  13. Oktober 2018  —   Nach dem Fehlstart des Raumschiffes Sojus MS-10 vom Donnerstag,  den die russisch-amerikanische Besatzung glücklicherweise unbeschadet überstanden hat,  erhebt sich die Frage,  wie das Programm von Alexej Owtschinin und Nick Hague aussah –  und wie es nun in der ISS und der Raumfahrt generell weiter geht. Nachfolgend dazu einige Informationen.

Nach ihrem Start um 10.40 Uhr deutscher Zeit vom Kosmodrom Baikonur (Kasachstan) sollte das Duo in nur rund sechs Stunden Flug um 16.45 Uhr die Internationale Raumstation ISS erreichen. Die Männer wurden dort von dem deutschen ESA-Astronauten und Kommandanten Alexander Gerst,  Sergej Prokopjew (Russland) und Serena Aunon-Chancellor (USA) erwartet,   die bereits seit einer Woche allein auf der Umlaufbahn gearbeitet hatten. Damit wäre die Stammbesatzung wieder  komplett gewesen.

Normalerweise besteht diese aus sechs Mitgliedern. Da aber die Russen bis Ende kommenden Jahres die Besatzung ihres Segments von drei auf zwei verringert haben,  sollte jetzt zumindest bis Anfang April nächsten Jahres ein Quintett um die Erde fliegen.

Bisher brauchen die Raumschiffe in der Regel zwei Tage oder 34 Erdumkreisungen für die Anreise zur ISS. Doch diesmal hatte man sich für die Schnellvariante mit nur vier Erdumrundungen entschieden. Owtschinin und Hague hatten statt des dritten Besatzungsmitglieds einen Container mit 62 Kilogramm Lebensmittel sowie Experimente an Bord,  darunter einen Magnetischen 3D-Biodrucker. Dem Duo standen in den kommenden 187 Tagen allein rund 50 russische Experimente bevor. Im Dezember sollte Owtschinin dann auch von Gerst das Kommando in der Station übernehmen. Beim Rückflug im April 2019 sollte den vakanten dritten Platz ein Astronaut aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) einnehmen,  der zuvor für elf Tage zur Station kommen sollte. Das alles ist nun nicht mehr möglich. Derzeit wird an einer Lösung gearbeitet,  bei der nach Möglichkeit ausgeschlossen werden soll,  dass die Raumstation nach dem Ende der Gerst-Mission,  die noch für den 13. Dezember geplant ist,  konserviert werden und unbemannt weiter fliegen muss. Es wird alles daran gesetzt,  Anfang Dezember die nächste Mannschaft auf die Reise zu schicken,  der Oleg Kononenko (Russland) sowie David Saint-Jacques (Kanada) und Anne McClain (USA) angehören sollen.

Der für Mitte November geplante Ausstieg von zwei russischen Kosmonauten zur Untersuchung der Außenhaut des angekoppelten Raumschiffes Sojus MS-09,  in dessen Orbitalsektion Ende August ein Bohrloch von zwei Millimeter Größe entdeckt worden war,  würde auf Mitte Dezember verschoben. Bis heute rätseln die Fachleute,  wann und wie das Loch entstanden ist. Eine Sonderkommission der GK Roskosmos will bisher Mitte November ihre Ergebnisse vorlegen. Wegen des mysteriösen Zwischenfalls wurde auch der Zubringer Sojus MS-10 ganz besonders kontrolliert.

Dem Start von der Gagarinschen Rampe in Baikonur wohnten am Donnerstag auch die Chefs der russischen und amerikanischen Raumfahrtagenturen GK Roskosmos und NASA,  Dmitri Rogosin und Jim Bridenstine,  bei. Sie hatten am Mittwoch ein ausführliches Gespräch über die weitere bilaterale Zusammenarbeit geführt. Dabei wollte Bridenstine die Russen für die Mitarbeit am Gateway-Projekt für den Bau einer amerikanischen Raumstation gewinnen,  die den Erdtrabanten umkreist. Russlands wollte daran nur mitmachen,  wenn es dabei als gleichberechtigter Partner fungiert. Nunmehr haben Rogosin und Bridenstine erst einmal andere Sorgen. Ihre enge Zusammenarbeit bei der Bergung von Owtschinin und Hague hat sich aber bewährt.

Die VAE haben großes Verständnis für die neue Situation geäußert,  die die Weltraumpremiere ihres ersten Astronauten wohl erheblich verzögert. Die NASA und die Europäische Weltraumorganisation ESA haben den Russen ihre uneingeschränkte Unterstützung bei der Suche nach den Ursachen für den Fehlstart zugesagt und zugleich versichert,  dass sie weiterhin volles Vertrauen in der russische Technik haben. Ein vorzeitiges Eingreifen der neuen privaten bemannten US-Raumschiffe ist leider nicht möglich,  da sie noch nicht zertifiziert sind.

Indessen wird intensiv an der Ermittlung der Ursachen für den ersten Fehlschlag der bemannten russischen Raumfahrt seit 1983 gearbeitet. Dabei ist auch das Ermittlungskomitee der Russischen Föderation einbezogen. Die Trümmer des Havaristen werden in der RKK Energija in Moskau und im RKZ Progress in Samara an der Wolga genauestens unter die Lupe genommen. Man geht von einem Problem mit den Boostern der 1. Stufe der Rakete aus,  die 2016 gebaut und abgenommen worden war. Das Ergebnis soll um den 25. Oktober vorliegen.

Wie die GK Roskosmos am Samstag mitgeteilt hat,  werde man Owtschinin und Hague sowie Mitglieder der Bergungsmannschaften für Auszeichnungen vorschlagen.

(Achtung:  Nachdruck nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Autors!)

© Gerhard Kowalski

 

 

2 Gedanken zu „Nach dem Sojus MS-10-Fehlschlag:  Was wäre,  wenn… –   und was wird sein?“
  1. Wissen Sie,Herr Kowalski. ob es diesmal keine live-Aussenbordkamera an der Trägerrakete gab? (So wie letztes Mal, falls ich mich recht erinnere). Das wäre sehr hilfreich gewesen um den genauen Ablauf der Havarie zu erfassen. Teleskopkameras am Startplatz zur Verfolgen des Fluges sollten ebenfalls in Zukunft Pflicht werden. Aber vielleicht gabs die doch bereits? Gruss

  2. Es gab eine solche Kamera an Bord. Unter anderem deshalb kann das Ergebnis der Untersuchungen schon so bald präsentiert werden.

    GK

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