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Berlin — Auch 40 Jahre nach dem Tod von Juri Gagarin bei einem Trainingsflug mit einem Düsenjäger ist die genaue Ursache für die Katastrophe immer noch nicht aufgeklärt. Die bis dato gültige offizielle Version lautet, eine „unglückliche Verkettung verhängnisvoller Umstände“ habe an jenem 27. März 1968 zum Absturz des zweisitzigen Schulflugzeuges geführt, bei dem der erste Kosmonaut der Welt und sein Instrukteur Wladimir Serjogin ums Leben kamen. Ein technischer Schaden an der UTI MiG-15 mit der Bordnummer 18 sei aber ausgeschlossen.

;“>Damit konnten nach Ansicht von Experten nur noch die äußeren Umstände, sprich das Wetter, oder menschliches Versagen die „Katastrophe des Jahrhunderts“, wie es damals hieß, ausgelöst haben. Das ist offenbar auch der Grund, warum die Ergebnisse der bisher umfangreichsten Untersuchung in der sowjetischen Luftfahrtgeschichte zum Staatsgeheimnis erklärt wurden. Denn sonst hätte man die eigentlich Verantwortlichen benennen und zur Rechenschaft ziehen müssen, und da wären Köpfe bis in die höchsten Etagen des Militärs gerollt.

Nach Öffnung der Geheimarchive im Zuge von Gorbatschows Politik der Perestrojka haben zahlreiche Fachleute den Fall neu aufgerollt und eine ganze Reihe mehr oder minder überzeugender Thesen zum Hergang des Absturzes aufgestellt. Die jüngste stammt von dem Luftfahrtexperten Eduard Scherscher, der selbst an den Untersuchungen beteiligt war. In seinem Buch „Das Geheimnis des Todes von Gagarin“ ordnet er die Schuld eindeutig Oberst Wladimir Serjogin zu. Das Flieger-Ass aus dem Zweiten Weltkrieg war nicht nur Gagarins Instrukteur, sondern auch Kommandeur des Elite-Geschwaders, das auf dem Flugplatz Tschkalowski unweit des „Sternenstädtchens“ stationiert ist, wo alle Kosmonaten bis heute ihr Flugtraining absolvieren.

Serjogin, der an jenem Unglückstag auf dem zweiten Pilotenplatz hinter Gagarin sass, habe gleich gegen sieben Flugvorschriften verstoßen, schreibt Scherscher. So habe er den Start des Flugzeuges mit Zusatztanks erlaubt, obwohl das vorgesehene Trainingsprogramm das ausdrücklich verbot. Zudem habe er sich vor dem Flug nicht über die genaue Wetterlage in dem Übungsgebiet informiert und auch gewusst, dass das Höhenradar des Flugplatzes defekt war. Außerdem habe der Instrukteur nicht dafür gesorgt, dass die Flugaufgabe korrekt zu Ende geführt wurde. So habe Gagarin bereits nach knapp viereinhalb Minuten Vollzug gemeldet, obwohl die Übung 20 Minuten erforderte.

Ferner habe Serjogin zugelassen, dass der Flug nach der Vollzugsmeldung in der dem Flugplatz entgegengesetzten Richtung fortgesetzt wurde. Denn zu diesem Zeitpunkt habe sich die Maschine zwar rund 30 Kilometer von dort befunden, sei aber in einer Entfernung von 64 Kilometern bei dem Dorf Nowoselowo abgestürzt. Auf dem Weg dorthin habe die Besatzung offenbar noch Flugmanöver vollführt, die ebenfalls nicht zum Programm zählten. Dazu habe auch ein Sturzflug gehört, bei dem die Maschine nicht rechtzeitig abgefangen werden konnte und deshalb am Boden zerschellte.

All diese Verstöße hätten „in ihrer Gesamtheit“ zu dem Unglück geführt, resümiert Scherscher. Allerdings seien neben Serjogin noch viele andere aus der Führung der Luftwaffe mitschuldig. Denn der Tod des Nationalhelden Nummer 1 unter den gegebenen Umständen sei in seiner politischen Tragweite nur mit der Flucht eines sowjetischen Piloten 1976 mit einer MiG-25 nach Japan oder der Landung des deutschen Hobbypiloten Mathias Rust 1987 unweit des Roten Platzes in Moskau zu vergleichen, bei der die gesamte Luftabwehr düpiert wurde.

(Veröffentlicht am 25. März 2008)

Von admin