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Credit: Roskosmos

Moskau/Plessezk, 9. Juli 2014 – Im vierten Anlauf ist die neue russische Trägerrakete „Angara“ am Mittwoch bei einem ballistischen Flug erfolgreich getestet worden. Nach dreimaliger Verschiebung wegen technischer Probleme hob die leichte “Angara-1.2PP” (PP steht für Perwyj Pusk – erster Start) vom Militärkosmodrom  Plessezk (Gebiet Archangelsk) ab, wie das Moskauer Verteidigungsministerium mitteilte. Nach 21 Minuten habe die zweite Stufe des Trägers mit einem fest verbundenen großen Nutzlast-Modell ihr Ziel auf dem 5.700 Kilometer entfernten Raketenübungsgelände Kura auf der Halbinsel Kamtschatka erreicht.

Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe dem Oberkommandierenden der russischen Streitkräfte, Präsident Wladimir Putin, den erfolgreichen Abschluss des Unternehmens persönlich gemeldet.

Damit steht allerdings der eigentliche Weltraumtest noch aus. Wann die Rakete das erste Mal eine Nutzlast ins All bringt, wurde bislang nicht gesagt.

Ursprünglich sollte der Jungfernflug bereits am 25. Juni stattfinden. Er wurde jedoch immer wieder verschoben, zuletzt wegen eines Ventilschadens, der am 28. Juni zu einem Druckabfall in einem Kugelballon des Oxydator-Systems der ersten Stufe führte.

Die Rakete der neuen Generation, deren Entwicklung vor rund 20 Jahren begann, wird in einer leichten, einer mittleren und einer schweren Variante für Nutzlasten zwischen 1,5 und 35 Tonnen gebaut. Nach dem Baukastensystem kann die Zentralstufe dafür zusätzlich mit zwei („Angara-3“) oder vier Universal-Triebwerksmodulen („Angara-5“) ausgestattet werden. Der Träger kann damit nach Aussagen des Verteidigungsministeriums alle relevanten militärischen Nutzlasten auf jede beliebige Umlaufbahn bringen. Zudem sichert sich Russland damit den garantierten Zugang zum All von seinem eigenen Territorium und macht sich zugleich von Kasachstan unabhängig, auf dessen Hoheitsgebiet sich derzeit Moskaus wichtigstes Kosmodrom, Baikonur, befindet. Deshalb wurde das Projekt als von besonderer staatlicher Wichtigkeit eingestuft.

Die „Angara“ ist die erste neue Zivilrakete der Russen nach dem Tod des legendären Chefkonstrukteurs Sergej Koroljow im Jahre 1966. Sie besteht voll aus russischen Komponenten und fliegt mit umweltfreundlichem Kerosin und Flüssigsauerstoff als Oxydator.

Der Test des im wahrsten Sinne des Wortes Hoffnungsträgers der Russen lag voll in der Hand der Militärs. Das ist insofern ungewöhnlich, als die Raumfahrt eigentlich Aufgabe der Weltraumagentur Roskosmos ist.

Weshalb der Träger nur suborbital erprobt und nicht gleich in den Weltraum geschossen wurde, wurde nicht mitgeteilt. Möglicherweise galt der Test aber auch in erster Linie dem neuartigen Startkomplex, von dem erstmals eine ganze Raketenfamilie abheben kann.

In Pressemeldungen hieß es zudem, die leichte Rakete sei im Gegensatz zur schweren Variante „noch nicht fertig”. Die „Angara-5“ sei dagegen einsatzbereit und solle um die Weihnachtszeit das erste Mal fliegen. Ob es sich dann um einen echten Weltraumstart handelt, ist ebenfalls bislang nicht bekannt.

Auf dem im Bau befindlichen neuen russischen Kosmodrom Wostotschny im Amur-Gebiet soll 2015 mit der Errichtung des nach Plessezk zweiten „Angara“-Startkomplexes begonnen werden. Von ihm soll 2018 erstmals eine „Angara-5“ mit dem Nachfolger der bewährten, aber in die Jahre gekommenen „Sojus“-Raumschiffe aufsteigen.

Bis mindestens 2018 finden die Starts der „Sojus“-Kapseln also noch in Baikonur statt, bevor sie nach Wostotschny verlagert werden. Die Rampe für die verbesserte „Sojus-2“-Trägerrakete ist dort schon im Bau. Bereits ab dem kommenden Jahr sollen von ihr unbemannte Raumflugkörper ins All geschossen werden.

© Gerhard Kowalski

 

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